Der indische Regierungschef Narendra Modi zeigt Nervosität angesichts niedriger Wahlbeteiligung und schärft seine Rhetorik gegen Muslime
Die indische Parlamentswahl, die größte demokratische Wahl der Welt, nähert sich ihrem Höhepunkt. Der Ministerpräsident Narendra Modi und seine Bharatiya Janata Party (BJP) galten lange als klare Favoriten. Doch die bisher niedrige Wahlbeteiligung im Vergleich zu den letzten Wahlen 2019 deutet auf mögliche Schwierigkeiten hin. Beobachter sehen darin Anzeichen von Nervosität bei Modi.
In seinen Wahlkampfreden griff Modi in letzter Zeit schärfer als üblich die muslimische Minderheit an. Er bezeichnete sie indirekt als „Infiltratoren“ und warf der Opposition vor, Muslime bevorzugt zu behandeln. Diese Rhetorik scheint eine Reaktion auf den schleppenden Start der Wahl zu sein. In den ersten Runden lag die Beteiligung mehrere Prozentpunkte unter der von 2019.
Am vergangenen Samstag wählte unter anderem die Hauptstadt Neu-Delhi. Trotz der extremen Hitze von über 40 Grad standen viele Wähler schon früh morgens vor den Wahllokalen. Modi rief auf der Plattform X zur Stimmabgabe auf:
„Jede Stimme zählt, lassen Sie auch Ihre zählen! Die Demokratie gedeiht, wenn die Menschen sich engagieren und aktiv am Wahlprozess teilnehmen.“
Von den 986 Millionen Wahlberechtigten waren allein am Samstag 111 Millionen zur Stimmabgabe aufgerufen. Die Wahl endet am 1. Juni, die Ergebnisse werden drei Tage später verkündet. Bisherige Angaben deuten darauf hin, dass die Beteiligung weiterhin unter dem Niveau von 2019 liegt. Ein Grund dafür könnte sein, dass die „Modi-Welle“ der vergangenen Wahlen ausgeblieben ist.
Viele Inder schätzen Modi als starken Anführer, der Indien Größe und den Armen wichtige Hilfsmittel wie Nahrungsmittelrationen, Gaskocher und Toiletten gebracht hat. Doch zunehmend sind die Menschen ernüchtert: Viele junge Inder finden keinen Arbeitsplatz, hohe Preise belasten sie, während die Reichen immer reicher werden.
Experten bemängeln auch das Fehlen eines übergreifenden Themas im Wahlkampf, der von regionalen und lokalen Fragen dominiert wird. Die Opposition, darunter das Bündnis INDIA, bestehend aus fast 30 Parteien, hat sich besser geschlagen als erwartet. Trotz interner Konflikte haben sie sich zusammengeschlossen.
Auch Ermittlungen gegen einige ihrer Vertreter konnten die Opposition nicht entmutigen. Der Chief Minister von Delhi, Arvind Kejriwal, setzte Modi mit harter Kritik zu. Nach seinem Wahllokalbesuch forderte er die Inder auf, gegen die „Diktatur“ zu stimmen. Rahul Gandhi und seine Kongresspartei brachten die Regierung weiter unter Druck, indem sie Modi vorwarfen, eine Verfassungsänderung anzustreben, um Indien in einen Hindu-Staat zu verwandeln.
Das Ziel der BJP, 370 Sitze alleine und über 400 Sitze mit Koalitionspartnern zu erreichen, scheint nun fraglich. Viele glauben nicht mehr daran, dass die Partei ihr Ziel erreichen wird. Eine Verschlechterung im Vergleich zu 2019, als die BJP 303 Sitze gewann, könnte drohen. Selbst wenn Modi wiedergewählt wird, könnte ein solches Ergebnis im Vergleich zu den ehrgeizigen Zielen als Niederlage erscheinen.
Modis nervöse Reaktionen und seine verschärfte Rhetorik deuten auf den Druck hin, unter dem er steht. Die kommende Woche wird zeigen, ob er und seine Partei die erwarteten Ziele erreichen können oder ob sie eine empfindliche Niederlage erleiden werden.