Der Kampf der Religionen: Die orthodoxe Kirche in der Ukraine will unabhängig sein

In diesem Konflikt wird nicht nur um Territorium gerungen. Die ukrainisch-orthodoxe Kirche entfernt sich weiter von Moskau. 

Die Ukraine sieht sich vor einer düsteren Zukunft, wenn sie nicht weiterhin auf die direkte Unterstützung der USA und der NATO zählen kann. Nun wird jedoch ein anderer, weniger offensichtlicher Kampf beleuchtet, der parallel zum geopolitischen Konflikt zwischen Russland und der Ukraine tobt – die Spaltung der russisch- und ukrainisch-orthodoxen Kirchen. Dieser Glaubenskrieg wirft ein Schlaglicht auf die komplexen religiösen Machtstrukturen in der Region.

Beide Seiten, Russland und die Ukraine, haben die Religion in ihren Kampf einbezogen und nutzen sie als mächtiges rhetorisches Werkzeug. Der Kreml stellt Putin als den Retter der Orthodoxie dar und behauptet, dass die Ukraine und der Westen vom Satan besessen seien. Auf der anderen Seite spricht der ukrainische Präsident Selenskyj vom Sieg über Russland als einem Triumph des Guten über das Bösen.

Warum dieser religiöse Konflikt? Seit dem Protestwinter von 2011/2012 ist der Kreml auf neue Ressourcen angewiesen, um die wachsenden politischen Ansprüche der Bevölkerung zu befriedigen. Die Religion spielt dabei eine entscheidende Rolle, da rund 70 Prozent der russischen Bürger sich als orthodoxe Christen bezeichnen.

Der Jahrestag der Christianisierung der “Kiewer Rus” im Jahr 988 gewinnt in dieser Auseinandersetzung politische Bedeutung. Putin nutzt dieses Ereignis, um die historische Einheit von Russen, Weißrussen und Ukrainern zu betonen. Gleichzeitig wird das “heilige Kiew” von den russischen Behörden als von “Nazi-Satanisten” besetzt dargestellt, während Putin selbst als Retter und Verteidiger der Orthodoxie gefeiert wird.

Der Kampf der Religionen: Die orthodoxe Kirche in der Ukraine will unabhängig sein

Patriarch Bartholomaios von Konstantinopel überreicht Epifani von Perejaslawl in der Georgskathedrale in Istanbul einen Erlaubniserlass für die unabhängige orthodoxe Kirche in der Ukraine.

Aber die religiöse Landschaft ist komplizierter als es auf den ersten Blick erscheint. Die Orthodoxe Kirche der Ukraine wechselt zum modernen Kirchenkalender und entfernt sich damit weiter von der russisch-orthodoxen Kirche, was zu zusätzlichen Spannungen führt. Die griechisch-katholische Kirche kämpft ebenfalls um Einfluss, vor allem in der westlichen Region Galizien.

Die religiöse Zerrissenheit spiegelt sich auch in der Politik wider. Ukrainer, die zuvor wenig über die Zugehörigkeit ihrer Gemeinden wussten, sind jetzt aufgrund der kriegstreiberischen Äußerungen des Moskauer Patriarchen Kirill verunsichert. Ein erbitterter Konflikt um das Kiewer Höhlenkloster, das dem Moskauer Patriarchat angehört, hat die Unruhen verschärft.

Selbst das ukrainische Volk ist mehrheitlich gegen diesen religiösen Konflikt und befürworten keine Abspaltung von der russisch-orthodoxen Kirche. Für viele Ukrainer ist die orthodoxe Religion ein wichtiger Teil ihrer Identität und Kultur, der nicht notwendigerweise mit politischem Konflikt in Verbindung gebracht werden sollte. Trotz der Spannungen auf höchster politischer Ebene gibt es in der Bevölkerung einen starken Wunsch nach religiöser Einheit und Verständigung, und viele Gläubige hoffen auf eine Lösung, die die Spaltung überwindet und die Brücken zwischen den verschiedenen orthodoxen Gemeinschaften in der Ukraine wieder aufbaut.

Insgesamt zeigt dieser religiöse Konflikt, dass der Ukraine-Krieg nicht nur ein Kampf um Territorium ist, sondern auch ein Kampf um die religiöse Identität und Macht in der Region. In dieser komplexen Gemengelage wird die Zukunft der Ukraine weiterhin unsicher bleiben.

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