Strenge Richtlinien sollen Gläubige schützen
Der Vatikan hat neue Richtlinien entwickelt, um angebliche Marienerscheinungen zu bewerten. Schwester Daniela del Gaudio leitet die 2023 gegründete Beobachtungsstelle für Erscheinungen und mystische Phänomene in Rom.
Schwester Daniela del Gaudio ist der Jungfrau Maria seit Jahren tief verbunden. Sie leitet die Beobachtungsstelle für Marienerscheinungen im Franziskanerkonvent nahe der Basilica di Sant’Antonio in Rom. Weltweit berichten immer mehr Menschen von Begegnungen mit Maria. Diese Phänomene umfassen blutweinende Statuen, Weissagungen und Wunderheilungen. Del Gaudio hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Echtheit solcher Berichte zu prüfen und Missbrauch vorzubeugen.
In jüngster Zeit sorgte die vermeintliche Seherin Gisella Cardia aus Trevignano Romano für Aufsehen. Sie behauptete, monatlich Botschaften von Maria zu empfangen und vor einer von ihr errichteten Marienstatue, die angeblich Blut weint, Auftritte abzuhalten. Der Vatikan hat diese Erscheinungen inzwischen als “nicht übernatürlich” eingestuft und Cardia zu einem “Weg der Läuterung” aufgerufen.
Die Aufgabe von Schwester del Gaudio ist anspruchsvoll. Sie studiert Berichte über eingebildete Erscheinungen, führt Gespräche mit Zeugen und zieht historische Dokumente zu Rate. Oft kommt die Frau zum Schluss, dass die Erscheinungen nicht echt sind. In seltenen Fällen lädt Daniela del Gaudio die Zeugen nach Rom ein und führt intensive Gespräche, manchmal unter Hinzuziehung von Psychologen.
Der Vatikan hat sechs Kategorien für die Bewertung der Erscheinungen eingeführt, die von weiterer Beobachtung bis zum Verbot reichen. Diese neuen Richtlinien sollen Transparenz schaffen und schnelle Entscheidungen ermöglichen.
Del Gaudio betont die Notwendigkeit dieser Maßnahmen:
“Die Kirche musste auf die Flut der Neuerscheinungen reagieren.”
Sie kritisiert, dass das Christentum heute sehr emotional geworden sei und die Menschen nach dem Übernatürlichen suchen, statt nach der Wahrheit der Heiligen Schrift.
Schwester del Gaudio versteht ihre Arbeit als Dienst an den Gläubigen.
“Wir müssen die Gläubigen vor falschen Erscheinungen schützen.”
Ihre Untersuchungen beginnen meist auf Anfrage eines Bischofs, wenn eine vermeintliche Erscheinung in der Gemeinde Unruhe stiftet. Sie prüft die Berichte gründlich und vergleicht sie mit der biblischen Überlieferung. Meist widersprechen die vermeintlichen Aussagen Marias der Bibel oder klingen manipulativ.
Für die heikle Aufgabe der Unterscheidung zwischen Übernatürlichem und Übertriebenem ist del Gaudio ideal geeignet. Die Schwester hat an der Päpstlichen Marianischen Akademie in Rom Mariologie studiert. Sie glaubt zwar an die Möglichkeit mystischer Erscheinungen, begegnet jedoch jedem, der versucht, Marias Erscheinen zu belegen, mit Misstrauen.
Die vielen Berichte über Marienerscheinungen haben auch soziale und politische Ursachen. Maria wird vor allem von einfachen Menschen geliebt, die oft in Armut und Ungerechtigkeit leben. Del Gaudio sieht in den Erscheinungen eine Antwort auf das gesellschaftliche Bedürfnis nach Schutz und Trost.
In der zweitausendjährigen Geschichte des Christentums hat die katholische Kirche nur wenigen Marienerscheinungen Übernatürlichkeit zuerkannt. Die neuen Richtlinien sollen helfen, zwischen wahren und falschen Erscheinungen zu unterscheiden und den Glauben der Menschen zu schützen.
“Glauben heißt, sich zu entscheiden.”