Petitionen fordern sofortige Einberufung
Israels höchstes Gericht hat am Sonntag eine heikle Debatte zur Wehrpflicht für ultraorthodoxe Männer eröffnet. In einer brisanten Sitzung beschäftigen sich neun Richter mit zwei Petitionen, die eine sofortige Einberufung wehrpflichtiger ultraorthodoxer Juden fordern. Eine Entscheidung wird jedoch erst in den kommenden Wochen erwartet.
Am Sonntag argumentierten Regierungsanwälte vor dem höchsten Gericht Israels, dass eine Zwangsrekrutierung ultraorthodoxer Männer die Gesellschaft auseinanderreißen könnte. Das Gericht schlug vor, jährlich 3.000 ultraorthodoxe Juden einzuziehen – mehr als doppelt so viele wie bisher, aber weniger als 25 Prozent der Gesamtzahl.
Seit Jahrzehnten genießen die meisten ultraorthodoxen Männer eine Ausnahme von der Wehrpflicht. Diese Regelung lief im vergangenen Jahr aus und wurde von der Regierung bis Ende März verlängert. Bis zum 31. Juli sollte ein neues Gesetz verabschiedet werden, um die Ausnahme zu verankern. Doch die Regierung von Premierminister Benjamin Netanjahu hat bisher keine Lösung gefunden.
Die Situation eskalierte, als das höchste Gericht im März die staatlichen Subventionen für ultraorthodoxe Juden im wehrpflichtigen Alter strich. Diese Männer besuchen normalerweise Religionsschulen und wurden bisher weitgehend von der Wehrpflicht befreit. Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara ordnete zudem an, dass das Militär verpflichtet sei, auch diese Religionsstudenten einzuziehen. Schätzungen zufolge könnten somit mehrere Zehntausend Männer rekrutiert werden.
Die Diskussion über die Wehrpflicht für ultraorthodoxe Juden bedroht zunehmend die Stabilität der rechtsreligiösen Koalition unter Netanjahu. Diese ist stark auf religiöse Partner angewiesen, die eine Einberufung junger Männer aus ihrer Gemeinschaft strikt ablehnen. Kritiker sehen die bisherigen Ausnahmen als ungerecht an. Die Spannungen wurden durch den Gaza-Krieg weiter verschärft.
In Israel müssen Männer regulär drei Jahre und Frauen zwei Jahre Wehrdienst leisten. Es gibt jedoch auch ultraorthodoxe Juden und streng religiöse Frauen, die freiwillig dienen. Ein Versuch, ein Gesetz zu verabschieden, das mehr ultraorthodoxe Männer schrittweise zum Militärdienst verpflichten sollte, scheiterte bereits 2018 und führte zum Zerfall der damaligen Regierungskoalition.
Die Debatte über die Wehrpflicht ist nicht nur eine rechtliche Frage, sondern auch eine gesellschaftliche und politische. Sie spiegelt tief verwurzelte Konflikte zwischen säkularen und religiösen Bevölkerungsgruppen wider. Das Urteil des Gerichts könnte weitreichende Folgen für die israelische Gesellschaft und die politische Landschaft haben.
Ein Sprecher der ultraorthodoxen Gemeinschaft betonte, dass die Wehrpflicht gegen ihre religiösen Überzeugungen verstoße.
„Wir werden alles tun, um unsere jungen Männer zu schützen,“ sagte er.
Demgegenüber fordern säkulare Aktivisten Gleichheit und Gerechtigkeit.
„Es kann nicht sein, dass nur bestimmte Gruppen die Last des Militärdienstes tragen,“ argumentierte ein Vertreter.
Die Entscheidung des Gerichts wird mit Spannung erwartet. Sie könnte ein Wendepunkt in der langjährigen Debatte über die Wehrpflicht in Israel sein. Der Ausgang ist ungewiss, doch klar ist, dass die Diskussionen noch lange nicht beendet sind.