Franz Kafka: Sein Kampf um religiöse Identität und Zionismus

Charlotte Aigner beleuchtet Kafkas Beziehung zum Judentum

Anlässlich des 100. Todestages von Franz Kafka sprach Charlotte Aigner, Vorständin der Österreichischen Franz Kafka Gesellschaft, über das komplexe Verhältnis des Schriftstellers zum Judentum und seine Auseinandersetzung mit dem Zionismus.

Kafka, geboren am 3. Juli 1883 in Prag, wuchs in einer assimilierten jüdischen Familie auf. Sein Vater hatte die traditionelle Lebensweise hinter sich gelassen, um in Prag Karriere zu machen. Die hebräischen Rituale seiner Kindheit bezeichnete Kafka später als “Fassade”. Sein “Brief an den Vater” zeigt seine Enttäuschung über die oberflächliche jüdische Erziehung, die er als “lächerliches Auswendiglernen” empfand.

Ein entscheidender Wendepunkt in Kafkas religiösem Leben war die Begegnung mit dem jüdisch-polnischen Schauspieler Jizchak Löwy und dessen Theatergruppe im Jahr 1911. Diese Gruppe vermittelte ihm eine authentische und tiefe hebräische Kultur, die ihn nachhaltig beeindruckte. Kafka dokumentierte diese Erfahrungen ausführlich in seinem Tagebuch und organisierte eine Veranstaltung, bei der Löwy jüdische Texte rezitierte und der Schriftsteller selbst einen Vortrag über das Jiddische hielt.

Kafkas Vater zeigte kein Interesse an dieser jüdischen Tradition und reagierte abfällig auf Löwy. Ungeachtet der Ablehnung durch seinen Vater setzte er seine intensive Beschäftigung mit dem Judentum fort. Diese tiefere Auseinandersetzung spiegelt sich auch in seinen literarischen Werken wider, insbesondere im Roman „Der Prozess“, der die talmudische Tradition des Diskutierens thematisiert.

Durch Freunde kam Kafka auch mit dem politischen Zionismus in Berührung. Obwohl der Schriftsteller dem Zionismus skeptisch gegenüberstand, vertiefte er sich in das Thema und lernte sogar Hebräisch. Noch kurz vor seinem Tod begann Kafka, die Hochschule für das Judentum in Berlin zu besuchen und plante eine Reise nach Palästina, die er jedoch nicht mehr antreten konnte. Der Schriftsteller starb am 3. Juni 1924 an Tuberkulose.

Aigner betont, dass Kafkas Werke, Briefe und Tagebücher ein tiefes Verständnis und eine intensive Auseinandersetzung mit dem Judentum und dem Zionismus zeigen. Die Suche nach Identität und Wahrheit bleibt auch 100 Jahre nach seinem Tod relevant und inspirierend.

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