Zwangsurlaub für Türkische Imame: Deutschland setzt auf heimische Prediger

Deutschland und die Türkei einigen sich darauf, die Entsendung von türkischen Staatsimamen zu beenden und stattdessen auf inländisch ausgebildete Prediger zu setzen. Eine wegweisende Entscheidung oder eine bloße kosmetische Veränderung?

Deutschland und die Türkei haben sich am Donnerstag darauf geeinigt, die Entsendung von türkischen Staatsimamen nach Deutschland schrittweise zu beenden und stattdessen Imame auszubilden, die speziell für die große türkische Einwanderergemeinschaft des Landes tätig sein sollen. Rund 5,5 Millionen der 83,2 Millionen Einwohner Deutschlands sind Muslime, und fast 3 Millionen Menschen im Land sind türkischer Herkunft.

Deutsche Behörden versuchen seit Jahren, die Anzahl der im Inland ausgebildeten Imame zu erhöhen, um den Einfluss ausländischer Länder auf ihre muslimischen Gemeinden zu verringern. Als Teil der gemeinsamen deutsch-türkischen Ausbildungsinitiative sollen ab dem nächsten Jahr jährlich 100 Imame in Deutschland ausgebildet werden, während die Anzahl der aus der Türkei entsandten Imame allmählich um dieselbe Anzahl reduziert wird.

Die deutsche Innenministerin Nancy Faeser bezeichnete die Vereinbarung als “einen wichtigen Meilenstein für die Integration und Teilnahme muslimischer Gemeinschaften in Deutschland”. “Wir brauchen Prediger, die unsere Sprache sprechen, unser Land kennen und sich für unsere Werte einsetzen”, sagte Faeser. “Wir möchten, dass Imame sich am Dialog zwischen den Religionen beteiligen und Fragen des Glaubens in unserer Gesellschaft diskutieren.”

Die Beziehungen zwischen der überwiegend christlichen Bevölkerung Deutschlands und der muslimischen Minderheit waren traditionell kompliziert. Extremistische Angriffe im Namen der Gruppe Islamischer Staat führten zu Razzien und Verboten von als radikal eingestuften muslimischen Vereinigungen. Rassismus, Hass und manchmal Gewalt gegen Muslime in Deutschland sind weit verbreitet und oft Teil ihres Alltagserlebnisses, so ein aktueller Bericht.

Die Einigung über die neue Imam-Ausbildung kam nach “langwierigen Verhandlungen” mit der Türkei Diyanet, oder Präsidium für religiöse Angelegenheiten, und dem Verband der türkisch-islamischen Kulturorganisationen in Deutschland, bekannt unter dem türkischen Akronym DITIB, so das deutsche Innenministerium. Mit rund 900 Moscheegemeinschaften ist DITIB der größte Islamverband in Deutschland.

Gemäß der Vereinbarung mit der Türkei soll DITIB für die Ausbildung der 100 Imame in Deutschland pro Jahr verantwortlich sein. Das Ziel ist jedoch, dass die Männer ihre religiöse Ausbildung durch Kurse am Islamkolleg Deutschland ergänzen. Das Islamkolleg Deutschland mit Sitz in Osnabrück wurde 2019 von muslimischen Gemeindeverbänden, Theologen und Akademikern gegründet, um praktische und theologische Schulungen für deutschsprachiges religiöses Personal und Imame für lokale Gemeinden bereitzustellen.

Die deutsche Regierung strebt außerdem an, Kurse für zukünftige Imame zu fördern, die Deutschunterricht und Religionsunterricht, sowie Unterricht in Geschichte, politischen Fragen und deutschen Werten umfassen, berichtete die deutsche Nachrichtenagentur dpa.

Türkische Einwanderer kamen vor mehr als 60 Jahren in signifikanter Anzahl, als Westdeutschland “Gastarbeiter” aus der Türkei und anderen Ländern anwarb, um dem Land wirtschaftlich voranzuhelfen. Die meisten dieser jungen Männer waren in der Kohleförderung, der Stahlproduktion und der Automobilindustrie beschäftigt. Viele, die ursprünglich als temporäre Arbeitskräfte kamen, entschieden sich zu bleiben und ihre Familien mitzubringen, was zu großen Einwanderergemeinschaften in Berlin und anderen Städten im Westen und Südwesten Deutschlands führte.

Deutschland und die Türkei setzen auf inländische Imame, doch bleibt die Frage, ob dies wirklich einen bedeutenden Wandel in den deutsch-türkischen Beziehungen markiert oder nur eine oberflächliche Veränderung darstellt.

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