Religiöse Solidarität: Bekämpfung von Antisemitismus und Islamophobie

Warum die Kirche sich intensiver mit Vorurteilen gegenüber Juden und Muslimen auseinandersetzen sollte.

Traditionell entfaltet sich nach einem verheerenden terroristischen Angriff ein bekanntes Muster: Weltweit werden Solidaritätsbekundungen in Form von entzündeten Kerzen sichtbar. Ganz gleich, ob es sich um die Anschläge am 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten, die Bombenanschläge von 2004 in Madrid, die Ereignisse in London im Jahr 2005 oder die Angriffe in Städten wie Berlin, Paris und Nizza in den 2010er Jahren handelt. Menschen kommen zusammen, um ihren Ärger auszudrücken und ihre Trauer zu teilen. Die Solidarität ist bedingungslos und laut.

Nach dem jüngsten Angriff der Hamas auf Israel hat sich jedoch dieses Muster verändert. Weltweit finden Demonstrationen und Aktionen zur Unterstützung Israels statt, aber es gibt auch Proteste, die die Taten des Terrors bejubeln. Spezialsendungen und Talkshows behandeln das Thema, doch es werden nicht nur Vorwürfe gegen die Hamas, sondern auch gegen Israel erhoben. Die Mehrheit der Opfer in diesem Konflikt sind Juden, und sie bleiben bedroht. Jüdische Einrichtungen weltweit werden angegriffen und geschändet, was zu verstärkten Sicherheitsmaßnahmen führt. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, fürchtet eine Verschlechterung des Klimas für Juden im Land. Diesmal ist es anders, und der Grund dafür ist klar: Antisemitismus.

Es reicht jedoch nicht aus, nur auf andere, wie den islamischen Antisemitismus, zu zeigen. Ein jüngstes Beispiel für intellektuelles Versagen ereignete sich in einem Podcast mit Markus Lanz und Richard David Precht. Letzterer behauptete fälschlicherweise, dass streng orthodoxe Juden außer im Diamanthandel und bei einigen Finanztransaktionen nicht arbeiten dürfen. Dies stellt eine gefährliche Vermischung von religiöser Unwissenheit mit lange überholten antisemitischen Verschwörungsmythen dar und kehrt die Rollen von Tätern und Opfern um.

Dennoch gibt es auch innerhalb unserer christlichen Gemeinschaft Raum für Verbesserung. Obwohl in den letzten Jahrzehnten erhebliche Fortschritte in Bezug auf die Auslegung des Alten Testaments und die interreligiösen Beziehungen zwischen der römisch-katholischen Kirche und dem Judentum erzielt wurden, halten sich bestimmte Verschwörungstheorien hartnäckig. Das Wissen über die jüdische Religion ist unzureichend, und der Austausch mit jüdischen Vertretern bleibt selten. Deutschland muss zweifellos sein Problem mit dem Judenhass in Angriff nehmen, und meiner Ansicht nach sollte die Kirche als integraler Bestandteil unserer Gesellschaft eine kritische Selbstreflexion beginnen. Diese Arbeit sollte auf der Ebene der Basis, durch zwischenmenschliche Begegnungen und Aufklärung, ihren Anfang nehmen. Schließlich beginnt jede Reise irgendwo.

Genauso wichtig wie der Kampf gegen Antisemitismus ist der Einsatz gegen Islamophobie. Alle Religionen sollten gleichrespektiert werden, denn der Glaube ist es, was uns Menschen vereint. Der Dialog und die Solidarität zwischen den verschiedenen Glaubensrichtungen sind entscheidend, um Vorurteile abzubauen und die Einheit zu fördern. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir alle Geschwister im Glauben sind.

Antisemitismus und Islamophobie sind reale Bedrohungen, die nicht nur von außen kommen, sondern auch in unserer Gesellschaft wurzeln. Die Kirche sollte sich selbstkritisch mit diesen Problemen auseinandersetzen und sich aktiv für Zusammenhalt und Voreingenommenheit einsetzen. Nur so können wir die Hemmnisse der Spaltung und Diskriminierung überwinden und eine bessere Zukunft gestalten, die auf Anerkennung und Offenheit basiert.  Der Glaube sollte uns vereinen, nicht spalten.
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