Der Niedergang des Theologiestudiums: Wo ist das Interesse an Religion geblieben?

Weniger Theologiestudenten trotz hohem Interesse: Die Kirche muss umdenken, um die Zukunft des Pfarramts zu sichern.

Unsere Welt verändert sich rapide, und mit ihr die Interessen der kommenden Generationen. Ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt eine alarmierende Realität: In den letzten fünf Jahren ist die Zahl der Theologiestudenten um erschreckende 23 Prozent gesunken. Ein schockierender Trend, der die Frage aufwirft: Was ist mit dem Interesse an Religion passiert?

Die Rückläufigkeit der Theologiestudentenzahlen an deutschen Universitäten ist ein Phänomen, das nicht übersehen werden kann. Gerald Kretzschmar, Studiendekan der Theologischen Fakultät der Universität Tübingen, gibt zu bedenken, dass die Ursachen vielfältig sind. Ein rückläufiges Interesse an den Geisteswissenschaften insgesamt trägt zu diesem Problem bei. Doch wenn man genauer hinsieht, gibt es eine klare Verbindung: Der Rückgang der Kirchenbindung führt unweigerlich zu einem Rückgang derer, die sich für ein Theologiestudium interessieren.

Die aktuellen Statistiken des Wintersemesters 2021/2022 sind besorgniserregend. Nur noch 9.764 Studierende haben evangelische Theologie als ihr Hauptfach angegeben. Vor fünf Jahren waren es noch 12.536. Dies entspricht einem alarmierenden Rückgang von etwa 23 Prozent. Sogar an der größten Fakultät für evangelische Theologie in Tübingen sind die Zahlen rückläufig. Im letzten Jahr begannen nur noch 19 Studenten ihr Pfarramtsstudium, während es 2015 fast 60 waren.

Man mag sich wundern, warum überhaupt noch Studenten in die theologischen Hörsäle strömen. Doch angesichts der wachsenden Ablehnung der Kirche in der Gesellschaft ist es fast ein Wunder, dass noch Interesse am Theologiestudium besteht. Kretzschmar schlägt vor, das Theologiestudium stärker von den Kirchen zu entkoppeln, um mehr Studierende anzulocken. Denn das Interesse an Religion ist keineswegs verschwunden.

Der Niedergang des Theologiestudiums: Wo ist das Interesse an Religion geblieben?

Die biblischen Erzählungen gehören zum Grundbestand des Christentums. Im Theologiestudium wird ihre Entstehungsgeschichte rekonstruiert und ihre Bedeutung für die heutige Zeit erschlossen.

In Tübingen hat man bereits Maßnahmen ergriffen, um diesem Trend entgegenzuwirken. Neue Studiengänge wie “Interfaith Studies”, der Expertise in evangelischer und katholischer Theologie, Judaistik und islamischer Theologie vereint, wurden eingeführt. Ebenso gibt es den Studiengang “Christentum in Kultur und Gesellschaft”, der sowohl als Bachelor als auch als Master angeboten wird. Die Kirchen könnten von diesen neuen Studiengängen profitieren, wenn sie diese als Voraussetzung für den Pfarrdienst anerkennen. Dies könnte ein Weg sein, um dem Nachwuchsmangel im Pfarramt zu begegnen.

In Zeiten des Wandels und der sich verändernden Interessen der Gesellschaft ist es unerlässlich, dass die Kirche sich anpasst und innovative Wege findet, um das Interesse an Theologie und Religion zu wecken. Sonst könnten die theologischen Hörsäle bald noch leerer werden, und das Erbe der Kirche wäre in Gefahr.

Der dramatische Rückgang der Theologiestudentenzahlen in Deutschland erfordert dringend eine Neuausrichtung der Kirche und des Theologiestudiums. Innovative Studiengänge und eine Entkopplung von der traditionellen Kirchenbindung könnten der Schlüssel zur Sicherung des Nachwuchses im Pfarramt sein.

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