Warum die Kirche nicht über die Herzen der Gläubigen urteilen kann und sollte.
Die Kirche hat ein Problem: Die Zahl der Austritte steigt stetig, und die Hälfte der Deutschen sind nicht mehr Mitglieder einer der großen Kirchen. Doch Pater Stefan Kiechle weigert sich, das als Niedergang des Christentums zu betrachten. Er stellt die provokante Frage: Ist Christsein wirklich gleichbedeutend mit Kirchenmitgliedschaft?
Die Medien überschwemmen uns regelmäßig mit Berichten über Kirchenaustritte, oft mit einer gewissen Schadenfreude. Doch sollten wir wirklich so besorgt darüber sein? Viele der Ausgetretenen sind immer noch gläubig, beten regelmäßig und leben nach christlicher Ethik. Sie spenden ihr Geld lieber den Bedürftigen als der Kirche. Andererseits gibt es Kirchenmitglieder, die kaum in die Gemeinde kommen, wenig gläubig sind und egoistisch leben. Wer kann hier urteilen? Christsein ist nicht eine Mitgliedschaft; es ist eine Frage des Herzens.
Es gibt Menschen außerhalb der Kirche, die Christen sind, und es gibt Menschen in der Kirche, die nicht glauben. Doch die Kirche kann nicht darüber urteilen. Es ist unmöglich, die Anzahl der wahren Christen zu ermitteln, indem man nur die Zugehörigkeit zur Institution betrachtet. Der Glaube kann nicht durch Statistiken gemessen werden. Am Ende wird nur der himmlische Richter beurteilen, wie sehr wir den Geringsten der Geschwister gedient haben.
Wenn die Kirche schrumpft, wird sie sich verändern müssen. Einige Institutionen werden aus finanziellen Gründen aufgegeben, und der Staat wird einige ihrer sozialen Aufgaben übernehmen müssen. Dies mag schmerzhaft sein, aber es könnte auch eine Chance sein. Eine kleinere Kirche könnte spiritueller, sozial engagierter und missionarischer sein. In anderen Ländern ist die Kirche oft weiter, weil sie sich auf das Wesentliche konzentriert und nicht von Geld und Macht abgelenkt wird.
Es ist an der Zeit, das Christsein von der Kirchenmitgliedschaft zu entkoppeln und den Glauben in den Herzen der Menschen zu suchen. Die Kirche kann nicht über die individuelle Spiritualität urteilen. Vielleicht ist es an der Zeit, sich von alten Strukturen zu lösen und den Fokus auf das spirituelle Leben und die Nächstenliebe zu legen. Lasst uns den Glauben nicht durch Statistiken und Institutionen definieren, sondern durch unsere Taten und unser Mitgefühl.