Intransparente Datenerhebung enthüllt: Dunkelziffern könnten weit höher liegen, als bisher angenommen.
Die evangelische Kirche erlebt einen handfesten Skandal: Die mit Spannung erwartete Studie über sexuelle Gewalt in ihren Reihen könnte bloß die Spitze des Eisbergs darstellen. Nach Recherchen des WDR-Magazins Monitor wurden die Forscher bei der Datenerhebung regelrecht ausgebremst – der Zugang zu Personalakten wurde großzügig verwehrt. Diese Enthüllungen werfen nicht nur ernsthafte Fragen zur Transparenz der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) auf, sondern deuten auf ein tiefgreifendes Problem hin.
Die als bahnbrechend angekündigte Studie, die am Donnerstag enthüllt werden soll, sorgt bereits im Vorfeld für Stirnrunzeln. Laut Monitor mussten die involvierten Forscher auf einen beträchtlichen Teil der Personalakten verzichten, was zu massiven Verfälschungen bei den Gesamtzahlen der Missbrauchsfälle führen könnte. Die Dunkelziffern könnten dabei weitaus höher liegen als bisher angenommen.
Die Situation wird besonders delikat, wenn man berücksichtigt, dass die Autoren der Studie offenbar nur auf Disziplinarakten zurückgreifen konnten, während die umfassenderen Personalakten außen vor blieben. Dieser eklatante Mangel an Zugriffsmöglichkeiten bringt nicht nur die Glaubwürdigkeit der Untersuchung ins Wanken, sondern wirft auch ein düsteres Licht auf die Ernsthaftigkeit der Evangelischen Kirche im Umgang mit Missbrauchsvorwürfen.
Obwohl die kommissarische Ratsvorsitzende der EKD, Bischöfin Kirsten Fehrs, betont hatte, dass die Anzahl der Missbrauchsfälle höher sein könnte als bisher bekannt, werfen die nun ans Licht gekommenen Hindernisse bei der Datenerhebung ein grelles Scheinwerferlicht auf ihre bisherigen Aussagen. Die Forscher hatten offenbar eine deutlich kleinere Stichprobe als ihre Kollegen bei der MHG-Studie der katholischen Deutschen Bischofskonferenz vor fünf Jahren, die Daten aus 40.000 Personalakten berücksichtigen konnten.
Nicht nur die eingeschränkten Zugriffsmöglichkeiten auf Akten sorgen für Unruhe, sondern auch der erhebliche finanzielle Aufwand der Studie. Die EKD steckte vor gut drei Jahren rund 3,6 Millionen Euro in das Forschungsprojekt, das nun möglicherweise nicht die erwarteten Erkenntnisse bringt.
Die fehlenden Informationen aus den Personalakten werfen einen bedrohlichen Schatten auf die Gesamtanalyse der evangelischen Strukturen und systemischen Bedingungen, die sexuelle Gewalt begünstigen und deren Aufarbeitung erschweren. Wie die EKD auf diese schockierenden Enthüllungen reagieren wird und welchen Einfluss dies auf die Glaubwürdigkeit der Kirche haben wird, bleibt abzuwarten. Es sieht so aus, als müsste die Kirche sich auf unruhige Zeiten gefasst machen.
Die EKD-Missbrauchsstudie droht im Schatten fehlender Akten zu versinken, und die Glaubwürdigkeit der Evangelischen Kirche steht auf dem Spiel. Transparente Aufklärung oder taktisches Manöver – die Zukunft der Kirche hängt an einem seidenen Faden.