Die Abtreibungsdebatte in deutschen Kirchen

Zwischen Himmel und Hölle: Wie die Kirchen um die moralische Deutung von Abtreibung ringen.

Eine Kontroverse biblischen Ausmaßes wütet in den Gemäuern der deutschen Kirchen. Das Zentrum des Sturms ist keine geringere Frage als die der Abtreibung. Während draußen in der Welt die moralischen Fragen des Lebens toben, sind die heiligen Hallen der Kirchen zerrissen und unfähig, eine gemeinsame Haltung zu diesem umstrittenen Thema zu finden.

Die evangelische und katholische Kirche stehen wie zwei mächtige Giganten am gegenüberliegenden Ufer eines reißenden Flusses. Ihre Auffassungen über Abtreibung unterscheiden, und dieser moralische Zwiespalt hat die Debatte darüber, wie sich religiöse Überzeugungen mit den Herausforderungen der modernen Welt in Einklang bringen lassen, neu entfacht.

Kürzlich hat die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) die Gemüter erhitzt, indem sie die Möglichkeit erörterte, Abtreibungen unter gewissen Bedingungen außerhalb des Strafrechts zu akzeptieren. Die EKD betont die Notwendigkeit einer verpflichtenden Beratung vor einer Abtreibung. Aktuell betrachtet Paragraf 218 des deutschen Strafgesetzbuches Schwangerschaftsabbrüche zwar als rechtswidrig, sieht jedoch von Strafen ab, wenn sie in den ersten zwölf Wochen nach einer Beratung erfolgen. Abtreibungen nach einer Vergewaltigung oder aufgrund von Lebens- oder Gesundheitsgefährdungen für die Schwangere sind ausdrücklich nicht rechtswidrig.

Die EKD sieht in dieser Neuregelung eine Möglichkeit, die Verantwortung für den Schutz des ungeborenen Lebens von der Frau auf die Schultern der Gesellschaft und des Staates zu verlagern. Sie stellt die Vorstellung in Frage, dass das Lebensrecht des Ungeborenen zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft mithilfe des Strafrechts durchgesetzt werden sollte. Das Dokument des EKD-Rates betont, dass das Lebensrecht des Ungeborenen und die Verpflichtung zu seinem Schutz während der Schwangerschaft ständig an Bedeutung gewinnen und hinterfragt die Anwendung von starren zeitlichen Fristen mit unterschiedlichen Anforderungen und Sanktionen.

Die katholische Kirche hingegen hält unbeirrt an ihrer Position fest. Sie argumentiert, dass die aktuelle Regelung sowohl die Selbstbestimmung der Frau als auch den Schutz des ungeborenen Lebens effektiv gewährleistet. Paragraf 218 hat bisher nicht dazu geführt, dass der Wunsch der Frau kriminalisiert wird, was die geringe Anzahl von Verurteilungen pro Jahr unter zehn Fällen belegt. Eine generelle Legalisierung von Abtreibungen innerhalb einer festen Frist würde aus ihrer Sicht das Gleichgewicht zuungunsten des Lebensrechts der Ungeborenen verlegen.

Die beiden Hauptkirchen in Deutschland sind in dieser umstrittenen Frage offensichtlich nicht einig. Die evangelische Kirche betont die Notwendigkeit von Flexibilität und der Einbindung von Staat und Gesellschaft, während die katholische Kirche auf der gegenwärtigen Regelung beharrt, die ihrer Ansicht nach die weibliche Selbstbestimmung und den Schutz des ungeborenen Lebens gleichermaßen sicherstellt. Dieser tiefe Glaubenskonflikt wird weiterhin die theologischen Debatten und Diskussionen in Deutschland beherrschen, und es bleibt zu hoffen, dass die Kirchen Wege finden werden, ihre Differenzen beizulegen und gemeinsame moralische Grundlagen zu schaffen.

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