Härteres Vorgehen gegen Kirchenasyl

Niedersachsen räumt Kirchenasyl mit Polizei

In Niedersachsen wurde eine russische Familie trotz Kirchenasyl abgeschoben. Dies ist ein drastischer Bruch mit bisherigen Praktiken und markiert eine neue, härtere Linie der Behörden.

Eine russische Familie suchte Zuflucht in der evangelischen Gemeinde St. Michaelis in Bienenbüttel, Niedersachsen. Ihr Asylantrag war abgelehnt worden, dennoch erhielt sie Schutz im Kirchenasyl. Am 12. Mai endete dieser Schutz abrupt, als Polizeibeamte das Gemeindehaus stürmten und die Familie zum Flughafen brachten. Es ist das erste Mal, dass Niedersachsen Kirchenasyl durch Polizeieinsatz beendete.

Pastor Tobias Heyden war schockiert:

„Die Polizei sagte nur, sie wüssten, warum sie hier sind, und zeigten den Durchsuchungsbefehl.“

Die Familie wurde nach Spanien abgeschoben, wo sie ursprünglich mit einem Touristenvisum eingereist war.

Kirchliche Vertreter und Organisationen wie der Flüchtlingsrat verurteilten den Polizeieinsatz als Tabubruch. Die Behörden hingegen behaupten, nur geltendes Recht durchgesetzt zu haben. Diese unterschiedliche Bewertung verdeutlicht den tiefen Graben zwischen Kirche und Staat im Umgang mit Kirchenasyl.

Kirchenasyl ist für besonders schutzbedürftige Personen gedacht und sollte als „Akt der Nothilfe“ dienen. Eine Vereinbarung von 2015 zwischen Kirchen und dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) sieht vor, dass solche Härtefälle nochmals geprüft werden. Während dieser Prüfung dürfen die Betroffenen im Kirchenasyl bleiben. Doch die steigende Zahl solcher Fälle führt zu zunehmenden Spannungen. 2022 registrierte das BAMF 1243 Fälle, 2023 waren es bereits 2065.

Pastor Heyden betont die Ernsthaftigkeit der Gemeinde:

„Wir erhalten jedes Jahr mehrere Anfragen und erkennen fast nie einen Härtefall. Kirchenasyl wird nicht leichtfertig vergeben.“

Im Fall der russischen Familie gab die psychische Erkrankung der Mutter den Ausschlag. Ärzte bescheinigten, dass ein Verbleib in Deutschland stabilisierend wirke. Die Tochter besuchte die Schule in Uelzen, Vater und Sohn sollten im Unternehmen eines Verwandten arbeiten.

Der Fall in Niedersachsen ist kein Einzelfall. Ende 2023 stürmten Spezialkräfte eine Wohnung in Schwerin, im April 2024 wurde ein syrischer Kurde aus einem Kirchenasyl im Hunsrück entfernt. Diese robustere Vorgehensweise des Staates sorgt für Empörung bei Kirchen und Hilfsorganisationen.

Das Innenministerium Niedersachsens verteidigt das Vorgehen:

„Die Prüfung des BAMF ergab keinen Härtefall. Da das Kirchenasyl nicht wie vereinbart beendet wurde, war die Überstellung notwendig.“

Innenministerin Daniela Behrens (SPD) lud zu Gesprächen über den zukünftigen Umgang mit Kirchenasyl ein.

Die russische Familie befindet sich nun in einer Obdachlosenunterkunft in Barcelona und wartet auf die Anhörung ihres Asylantrags in Spanien. Ihre Zukunft bleibt ungewiss.

Kommentare
  • Es gibt noch keine Kommentare. Ihr Kommentar kann der erste sein.
Kommentar hinzufügen