Warum das alte Glaube wieder modern wurde und welche gesellschaftlichen Strömungen dahinterstehen
Im 19. und 20. Jahrhundert erlebte Europa eine überraschende Wiederbelebung des Heidentums, die durch verschiedene kulturelle und gesellschaftliche Entwicklungen geprägt war. Dieser erneute Fokus auf alte Religionen und Bräuche war nicht nur eine Rückbesinnung auf die Vergangenheit, sondern auch eine Reaktion auf die tiefgreifenden Veränderungen in der modernen Gesellschaft.
Der Ursprung des Heidentums im 19. Jahrhundert lässt sich mit der Romantik und dem Streben nach einer authentischen, unverfälschten Verbindung zur Natur erklären. In einer Zeit, in der die Industrialisierung und die zunehmende Urbanisierung den Lebensstil der Menschen stark veränderten, sehnten sich viele nach einer Rückkehr zu natürlichen und spirituellen Wurzeln. Diese romantische Vorstellung von einem „goldenen Zeitalter“ der Natur und des alten Wissens wurde durch Künstler, Dichter und Philosophen populär gemacht. Sie suchten in den Mythologien und Traditionen der alten Völker einen Widerstand gegen die als entfremdend empfundene moderne Welt.
Im 20. Jahrhundert verstärkte sich das Interesse an heidnischen Glaubensvorstellungen, insbesondere in den 1960er Jahren, als die Gegenkulturbewegung einen Aufschwung erlebte. Der Wunsch nach Individualität, Spiritualität und einem alternativen Lebensstil fand in heidnischen Praktiken wie dem Wicca-Glauben, Naturreligionen und verschiedenen Formen des Neopaganismus einen neuen Ausdruck. Diese Strömungen betonten die Verehrung der Erde, die Achtung vor der Natur und die Bedeutung der Zyklen des Lebens, die vielen Menschen eine tiefere spirituelle Verbindung vermittelten.
Die Wiederbelebung des Heidentums war jedoch nicht nur eine Flucht vor der Moderne, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit bestehenden religiösen Normen und Institutionen. Das Aufkommen neuer religiöser Bewegungen und die zunehmende Vielfalt an spirituellen Praktiken forderten die dominierende Stellung des Christentums heraus und boten den Menschen eine breitere Auswahl an spirituellen Wegen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass das Wiederaufleben des Heidentums in Europa im 19. und 20. Jahrhundert durch eine Kombination aus romantischem Idealismus, einer Reaktion auf die sozialen Umwälzungen und dem Drang nach persönlicher und spiritueller Freiheit geprägt war. Es war eine Zeit des Umbruchs, in der viele die Grenzen der traditionellen Religionen überschreiten wollten, um alternative, naturverbundene Glaubenssysteme zu entdecken.