Die unerwartete Rettungsaktion für die bedrohte sephardische Musiktradition Bosniens.
In Bosnien, einem Land mit einer überwiegend muslimischen Bevölkerung, hat eine Gruppe nichtjüdischer Musiker eine bemerkenswerte Mission übernommen: Sie kämpfen um die Erhaltung der sephardischen jüdischen Musiktradition, ein kulturelles Erbe, das nach dem Tod von Flory Jagoda, der Ikone der Ladino-Musik, beinahe in Vergessenheit geraten wäre. Diese Musiker erkennen, dass mit Jagodas Tod eine wesentliche Facette der bosnischen Kultur droht, für immer verloren zu gehen.
Vladimir Mickovic, ein Musiker aus Mostar, spürte die Dringlichkeit, die sephardische Musik und Kultur, einschließlich ihrer Sprichwörter und Literatur, zu bewahren. Diese Elemente sind tief in der bosnischen Kultur verwurzelt. Als Hommage an Jagoda und als Versuch, die jüdische Musiktradition vor dem Holocaust im westlichen Balkan wiederzubeleben, veröffentlichte er das Album “Kantikas de mi Nonna” (“Lieder meiner Großmutter”). Dieses Album ist nicht nur eine Ehrung für Jagoda, sondern auch ein kulturelles Zeitdokument.
Sephardische Musik, die sich stark von der oft mit jüdischer Musik assoziierten Klezmer-Musik unterscheidet, war einst in Spanien und Südeuropa weit verbreitet. Die sephardischen Gemeinden, insbesondere in der Türkei und im vorholocaustischen Griechenland, trugen maßgeblich zur Entstehung und Verbreitung dieser Musik bei. Sarajevo, Jagodas Geburtsort, war einst als das “Jerusalem Europas” bekannt, mit einer beträchtlichen jüdischen Bevölkerung, die hauptsächlich aus Exilanten aus Spanien stammte.
Die Ladino-Sprache, eine Mischung aus mittelalterlichem Spanisch, Hebräisch und Aramäisch, wurde durch türkische, griechische und serbokroatische Einflüsse bereichert. Musik spielte eine zentrale Rolle in der Übertragung der sephardischen Traditionen. Die bosnische sephardische Musiktradition hat ihre Wurzeln in den Gesangsklubs mittelalterlicher spanischer Synagogen und entwickelte sich weiter, als die jüdische Gemeinschaft nach der Vertreibung 1492 nach Sarajevo kam.
Die meisten bosnischen Juden wurden im Holocaust ermordet, und die wenigen Überlebenden emigrierten nach dem Krieg. Heute sind weniger als 1.000 Juden in Bosnien und Herzegowina verblieben, und nur wenige von ihnen sind musikalisch aktiv. Dennoch hat Mickovic, unterstützt von einer kleinen Gruppe bosnischer Musiker, eine authentische Interpretation der sephardischen Musik zusammengestellt. Sie griffen auf Materialien zurück, die sie in Thessaloniki und Istanbul fanden, um das traditionell bosnisch-sephardische Klangbild zu rekonstruieren.
Diese bemerkenswerte kulturelle Rettungsaktion zeigt, dass Musik über religiöse und ethnische Grenzen hinweg verbindet und eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart bildet. Sie stellt sicher, dass das reiche Erbe der sephardischen Juden in Bosnien nicht nur als Teil der jüdischen, sondern auch der gesamtbosnischen Geschichte lebendig bleibt.