Kirchenfinanzierung in Deutschland: Die unerfüllte Verfassungsaufgabe

Warum die Beendigung der Staatsleistungen an die Kirchen trotz klarer Vorgaben stagniert und welche Lösungsansätze diskutiert werden.

Seit Jahrzehnten leisten 14 Bundesländer in Deutschland Staatszahlungen an die Kirchen, die sich in diesem Jahr auf fast 620 Millionen Euro summieren. Trotz des Verfassungsauftrags, diese sogenannten Staatsleistungen zu beenden, fehlt es an politischen und finanziellen Lösungen. Der jüngste Vorstoß zur Entlastung der Kirchen durch Übernahme von Baulasten könnte jedoch Bewegung in die Debatte bringen.

Historische und Rechtliche Grundlagen

Die Grundlage für die Staatsleistungen ist in der Weimarer Reichsverfassung von 1919 verankert und wurde ins Grundgesetz übernommen. Diese Zahlungen sollen ursprünglich Entschädigungen für kirchliche Güter-Abtretungen in der Reformationszeit und Enteignungen im 19. Jahrhundert ausgleichen. Doch der Artikel sieht auch eine Ablösung dieser Leistungen vor, die bislang nicht umgesetzt wurde.

Widerstand der Bundesländer

Der Hauptgrund für den Widerstand der Bundesländer gegen die Beendigung der Staatsleistungen liegt in den hohen Ablösesummen. Juristische Expertisen sprechen von einem 14- bis 20-fachen Jahresbetrag, was insgesamt bis zu 12,4 Milliarden Euro betragen könnte. Solches Geld halten die Länder für unfinanzierbar, vor allem weil sie die jährlichen Zahlungen seit 1949 immer wieder erhöht haben. Beispielsweise zahlt Baden-Württemberg aktuell über 140 Millionen Euro jährlich, Bayern mehr als 125 Millionen.

Politische Kontroversen

Politiker der Ampel-Koalition zeigen sich frustriert über den Widerstand der Länder. Konstantin von Notz, stellvertretender Fraktionsvorsitzender der Grünen, kritisiert den generellen Unwillen zur Ablösung als unseriös und kontraproduktiv für das Ansehen der Kirchen. Auch FDP-Fraktionssprecherin Sandra Bubendorfer-Licht betont, dass es für viele Bürger unverständlich sei, warum Kirchen durch allgemeine Steuermittel finanziert werden, insbesondere wenn sie keiner Religionsgemeinschaft angehören.

Neue Lösungsansätze

Eine innovative Idee zur Lösung des Problems ist die Übernahme der Baulasten für Kirchengebäude durch den Staat. Angesichts des Mitgliederschwunds und der finanziellen Engpässe der Kirchen könnten diese sich zunehmend weniger um den Erhalt ihrer Gebäude kümmern. Kunsthistoriker und Denkmalschützer weisen auf die kulturelle Bedeutung der rund 40.000 Kirchengebäude in Deutschland hin und fordern die Einrichtung einer Stiftung zur Rettung bedrohter Sakralbauten.

Reaktionen und Perspektiven

Die Ampel-Koalitionäre sind offen für diesen Ansatz. Lars Castellucci von der SPD sieht die Möglichkeit, dass die Länder einen Teil der Ablösesumme in Form der Übernahme von Baulasten leisten könnten. Auch Sandra Bubendorfer-Licht unterstützt die Idee, die Kirchen bei der Erhaltung gesellschaftlich bedeutsamer Gebäude zu entlasten.

Allerdings zeigen sich die Kirchen selbst skeptisch. Bei der Synode der evangelischen Landeskirche in Bayern wurde der Vorschlag, Staatsleistungen nur für gesellschaftlich relevante Projekte wie den Klimaschutz zu verwenden, abgelehnt. Das Landeskirchenamt argumentierte, dass solche Bindungen die haushaltsrechtlichen Gestaltungsspielräume erheblich einengen würden.

Die Debatte um die Beendigung der Staatsleistungen an die Kirchen bleibt komplex und kontrovers. Während finanzielle Hürden und politische Widerstände die Umsetzung des Verfassungsauftrags verzögern, könnte die Übernahme von Baulasten eine tragfähige Lösung bieten. Es bedarf jedoch weiterer Verhandlungen und der Bereitschaft aller Beteiligten, Kompromisse einzugehen, um diese historische Verpflichtung endlich zu erfüllen.

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